Luise Schreiber-Knaus

Diplom-Restauratorin

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Zusammenfassung: Im Rahmen von statischen Sicherungsmaßnahmen im 1335 errichteten Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen wurde vor zwei Jahren auch eine Konservierung der mittelalterlichen Schlusssteinbemalungen notwendig. Begleitend erfolgten Untersuchungen an den figürlich bemalten Schlusssteinuntersichten, welche ungewöhnliche Befunde ergaben. Vor allem Gesichter und Gewänder der Figuren auf Goldgrund zeigen teilweise noch den bauzeitlichen Originalbestand von außerordentlicher Qualität. Die Maltechnik dieser Malereien auf steinernen Untergründen ist aus wissenschaftlicher Sicht von besonderem Interesse, da sich bisher kaum Vergleichsbeispiele gefunden haben. So handelt es sich bei den filigranen Malereien auf den Untersichten der Steine wohl um sogenannte « Werkstattfassungen », bei denen die Schlusssteine am Boden vom Maler gefasst und erst danach in die Gewölbe versetzt worden sind. Offensichtlich war der Maler in der Kunst der Tafelmalerei geschult. Weder der Name noch die Herkunft des Künstlers, der die Bebenhäuser Schlusssteinuntersichten sowie ein zugehöriges Tafelbild geschaffen hat, sind überliefert. Es ist jedoch davon auszugehen, dass es sich trotz der unterschiedlichen Malgründe um ein und denselben Maler oder zumindest um dieselbe Werkstatt handelt, von der wohl auch figürlich bemalte Glasfenster aus Bebenhausen stammen. Die bisherige Forschung hat bereits mehrfach auf deutliche stilistische Parallelen zu verschiedenen Esslinger Kunstwerken hingewiesen, darüber hinaus werden aber auch französische Einflüsse vermutet. Im Vortrag sollen unter anderem Untersuchungsergebnisse vorgestellt werden, die im Rahmen der restauratorischen Arbeiten an den bemalten Untersichten der Schlusssteine des Sommerrefektoriums Bebenhausen gewonnen wurden.

Peintures figuratives sur fond d’or – Nouveaux résultats des recherches sur l’exceptionnelle polychromie des clés de voûte du réfectoire d’été du monastère de Bebenhausen [Allemagne, commune de commune de Tübingen, en Bade-Wurtemberg]

Résumé : Des mesures de sécurité statiques ont été réalisées dans le réfectoire d’été, construit en 1335, du monastère de Bebenhausen. Dans ce cadre, une campagne de conservation des peintures médiévales des clés de voûte fut également nécessaire et elle s’est déroulée en 2016. Les recherches menées à cette occasion sur les peintures figuratives tracées sur la surface des clés de voûte ont livré des résultats surprenants. En particulier, les visages et les drapés des figures réalisées sur fond d’or montrent encore partiellement la matière originale, datant de l’époque de la construction et d’une qualité extraordinaire. La technique picturale de ces peintures exécutées sur la pierre est d’un point de vue scientifique d’un intérêt particulier, car jusqu’à présent on ne connaît guère d’exemples de comparaisons. La finesse d’exécution des peintures des clés de voûte indique qu’il s’agit de réalisations en atelier, à savoir que le peintre les ornant au sol avant qu’elles ne soient mises en œuvre dans la voûte. De toute évidence, ce peintre était formé dans l’art de la peinture de chevalet. Ni le nom, ni l’origine de l’auteur de ces peintures des clés de voûte et d’un panneau peint qui y est associé ne sont connus. Malgré la différence de supports, on peut considérer qu’il s’agit du même peintre, et tout au moins du même atelier, auquel on doit également des vitraux provenant de Bebenhausen. La recherche menée jusqu’ici a déjà permis d’établir des comparaisons stylistiques avec différentes œuvres d’Esslingen. On peut aussi supposer des influences françaises. L’article présente notamment les résultats des recherches obtenus suite aux travaux de restauration des clés de voûte du réfectoire d’été de Bebenhausen.

Im Südwesten Deutschlands liegt das gut erhaltene mittelalterliche Kloster Bebenhausen nahe der Stadt Tübingen, umgeben von einem Waldgebiet, dem sogenannten Schönbuch. Einer der architektonisch und kunstgeschichtlich herausragenden Räume der Anlage ist das 1335 unter dem Abt Konrad von Lustnau[1] an Stelle eines durch Brand zerstörten Vorgängerbaus errichtete Sommerrefektorium (Abb. 1). Statische Sicherungsmaßnahmen erforderten 2016 eine Einrüstung des hohen, hallenartigen Speisesaals im Bereich des Südflügels. Auf diese Weise konnten die Gewölbeflächen mit Rankenmalereien und die bemalten Schlusssteine erstmals seit ihrer Restaurierung vor 150 Jahren wieder aus nächster Nähe begutachtet werden. Es stellte sich heraus, dass an den Schlusssteinuntersichten mit figürlichen Darstellungen dringender Handlungsbedarf bestand, um die noch weitgehend original erhaltene Malschicht zu sichern. Daraufhin wurden Konservierungsmaßnahmen durchgeführt,[2] die im Frühjahr 2017 abgeschlossen waren. Begleitend erfolgten weiterführende Untersuchungen[3] zum Bestand der mittelalterlichen Decken- und Schlusssteinbemalungen, die ungewöhnliche Befunde ergaben.

Abb. 1. Blick in das Sommerrefektorium Bebenhausen nach Südwesten (© Staatliche Schlösser und Gärten-Baden-Württemberg, Foto: Arnim Weischer)

Darüber hinaus wurden die figürlich bemalten Schlusssteine mit dem ursprünglich zugehörigen Bebenhäuser Tafelbild „Maria als Thron Salomonis“[4] hinsichtlich ihrer Maltechnik und Restaurierungsgeschichte verglichen. Das Bild befand sich bis 1904 im Tympanonfeld über dem Eingangsportal des Sommerrefektoriums und wird seit mehr als 100 Jahren in der Staatsgalerie Stuttgart ausgestellt[5] (Abb. 2). In Bebenhausen ist an seiner Stelle heute eine Kopie von 1905 zu sehen.

Abb. 2. Vergleichende Begutachtung des ursprünglich aus Bebenhausen stammenden Tafelbildes in der Staatsgalerie Stuttgart 2017 (Foto: Luise Schreiber-Knaus, 2017)

Beobachtungen zur Mal- und Herstellungstechnik (1335) – Gewölbeaufbau, Baumaterialien, Ausmalung und Schlusssteinbemalungen

In zahlreichen Publikationen zu Bebenhausen finden sich bereits ausführliche Raumbeschreibungen[6] sowie Abhandlungen zur besonderen Gewölbeform[7] und deren Ausmalung. Auch mit der inhaltlichen Deutung der Gewölbemalereien und den einzelnen Darstellungen auf den Schlusssteinuntersichten haben sich mehrere Autoren befasst, zuletzt Vivien Bienert[8] und Peter Rückert.[9]

Im Zusammenhang mit den jüngsten restauratorischen Maßnahmen können neue Erkenntnisse zur Bautechnik der Gewölbe des Sommerrefektoriums sowie zu den hier verwendeten Baumaterialien ergänzt werden.

Die Gewölbeform wird Schirmgewölbe genannt, zutreffend ist außerdem auch die Bezeichnung als sogenanntes Dreistrahlengewölbe, bei dem die Rippen jeweils von drei Seiten an die Schlusssteine anschließen. Im Querschnitt lässt sich erkennen, dass sowohl die aus einem feinkörnigen grauen Sandstein gearbeiteten Rippen als auch die Schlusssteine ausgesprochen grazil profiliert sind. Rein optisch beurteilt, war davon auszugehen, dass es sich bei dem Steinmaterial um eine gute Qualität des Stubensandsteins aus Steinbrüchen im angrenzenden Schönbuch handeln könnte. Dieses lokale Gestein hatte man bereits zur Errichtung älterer Klostergebäude in Bebenhausen verwendet und auch an andere Baustellen geliefert. Eine weiterführende Untersuchung des Steinmaterials mit sogenannter Nahinfrarot-Spektroskopie ergab 2019[10] jedoch, dass es sich hierbei um hochwertigen Molassesandstein handelt, der nicht in der Umgebung des Klosters vorkommt. Beim Abgleich der charakteristischen Spektren des im Mittelalter beim Bau des Bebenhäuser Sommerrefektoriums verwendeten Gesteins mit Referenzspektren anderer Sandsteine, ergaben sich deutliche Ähnlichkeiten zu Vorkommen im Nordosten der heutigen Schweiz sowie der südlichen Bodenseeregion. Am ähnlichsten ist das Bebenhäuser Steinmaterial dabei einem Schweizer Vorkommen am Zürichsee, dem Bollinger Molassesandstein.

Dieses Material mit immensem Aufwand von weit her zu importieren, war sicherlich eine bewusste Entscheidung der beteiligten Bauhandwerker und beruhte auf Erfahrungen, die sie zuvor an anderen Bauten damit gemacht hatten. Obwohl allein der Materialtransport (Abb. 3) zu einer erheblichen Kostensteigerung[11] geführt haben muss, war der Molassesandstein für die Steinmetze offenbar am besten geeignet, um den Vorstellungen des Abtes entsprechend die außerordentlich feingliedrige Gestaltung des Sommerrefektoriums realisieren zu können. Aufgrund der feinkörnigen Struktur und Härte lassen sich aus diesem Stein besonders gut scharfe Kanten,[12] stark profilierte Bauteile und geglättete Oberflächen[13] herausarbeiten, wie sie im Sommerrefektorium zu beobachten sind.

Abb. 3. Grafik zu überregionalen Bezügen des Klosters Bebenhausen während der Bauzeit des Sommerrefektoriums (Entwurf: Luise Schreiber-Knaus, Umsetzung: Therese Schreiber, 2019)

Anhand dieses unerwarteten Materialbefundes lassen sich bestimmte Thesen zum Bauablauf naturwissenschaftlich stützen. So wird bisher angenommen, dass die Gestaltung der Bauformen des Bebenhäuser Sommerrefektoriums durch stilprägende Kirchenbauten im Bodenseeraum beeinflusst wurde. Insbesondere sind hier die Reichsabtei Salem und deren bereits Ende des 13. Jahrhunderts begonnenes Münster sowie der Kreuzgang des Konstanzer Münsters zu nennen. Auch dort fand Molassesandstein als bevorzugter Werkstein zur Herstellung fein profilierter Maßwerkfenster, Gewölberippen und Schlusssteine Verwendung.

Zum Mauern der Gewölbeflächen verwendete man in Bebenhausen dagegen grobporige Kalktuffsteine.[14] Offenbar war es die Absicht der Erbauer, das Gewicht der Deckenkonstruktion durch den Einsatz dieses leichten Steinmaterials zu reduzieren. Zudem ergibt sich aufgrund der stark zerklüfteten Oberfläche des Steinmaterials eine sehr gute Anhaftung des raumseitigen Flächenputzes. So lässt sich begründen, dass im Gewölbe des Sommerrefektoriums, abgesehen von einzelnen Reparaturen, noch überwiegend der bemalte Verputz von 1335 vorhanden ist.

Einen Schwerpunkt der jüngsten restauratorischen Arbeiten stellte die Untersuchung und Konservierung der bemalten Untersichten der Schlusssteine dar. Vor allem Gesichter und Gewänder der Figuren auf Goldgrund zeigen teilweise noch den bauzeitlichen Originalbestand von außerordentlicher Qualität (Abb. 4). Die Maltechnik dieser kleinen Kunstwerke auf steinernen Untergründen ist aus wissenschaftlicher Sicht von besonderem Interesse, da sich bisher kaum Vergleichsbeispiele gefunden haben.

Abb. 4. Schlussstein mit Darstellung der Jungfrau mit dem Einhorn, Bebenhausen 1335 (© Alexandra Winkels, 2016)

Sämtliche Schlusssteine sind nahezu gleich groß und wurden sehr genau gearbeitet, wobei sie direkt am Gewölbeansatz breiter ausgebildet sind und sich nach unten verjüngen. Den Abschluss bilden die vollständig bemalten unteren Sichtflächen mit einem Durchmesser von 29 cm. Diese Untersichten sind ähnlich einem Hohlspiegel nach innen gewölbt, im Zentrum beträgt die Abweichung von der Waagerechten dabei zwei Zentimeter. Ihre Größe entspricht in etwa einem Speiseteller. Darauf wurden 1335 miniaturhaft gestaltete Bildmotive auf Goldgrund in einer Öltemperatechnik ausgeführt.

Die einzelnen Darstellungen befinden sich in einer Höhe von neun Metern. Daher sind sie vom Boden aus nur schwer zu erkennen. Beispielsweise haben die Köpfe der Figuren durchschnittlich eine Größe von etwa fünf Zentimetern, die eigentlichen Gesichtsflächen sind noch kleiner. Dementsprechend sind auch alle weiteren Details der Gesichter, wie Augen und Münder nur jeweils wenige Millimeter groß (Abb. 5).

Durch den Vergleich der während der Restaurierungskampagne 2016 aufgenommenen hoch aufgelösten Auf- und Streiflichtfotografien mit ebenfalls neu erstellten UV-Fotografien lassen sich partielle Überarbeitungen der Malereien, die 1874 ausgeführt worden sind, eindeutig erkennen (Abb. 6).

Abb. 5. Detail der Malerei auf den Schlusssteinuntersichten, Kopf des Mose im Auflicht, Bebenhausen 1335 (© Alexandra Winkels, 2016)

Abb. 6. Derselbe Ausschnitt wie Abb. 5 unter UV-Beleuchtung. Auf Wangen, Stirn und Nase sowie am Hals des Mose sind deutlich einzelne nachträgliche Überarbeitungen von 1874 zu erkennen, die sich hier als gelblich-bräunliche Flecken darstellen. Diese qualitätvoll ausgeführten Retuschen sind bei natürlichen Lichtverhältnissen kaum sichtbar (© Alexandra Winkels, 2016)

Besonders aufschlussreich erwies sich die ergänzende naturwissenschaftliche Auswertung von Probenmaterial des kompakten Malschichtpaketes. Die Entnahme von nur zwei sehr kleinteiligen Proben[15] erfolgte am nördlichen und südlichen Schlussstein des Gewölbes. Auf Grund des wertvollen erhaltenen Malereibestandes der Schlusssteinuntersichten entschied man sich gegen die Entnahme weiterer Proben. Daher bestand bei der Analyse der beiden filigranen Malschichtproben der Anspruch, so viele Informationen wie möglich zu erhalten. Im naturwissenschaftlichen Labor[16] wurden dazu Methoden der instrumentellen Analytik, wie beispielsweise Infrarotmikroskopie und Rasterelektronenmikroskopie genutzt. Von einzelnen Probepartikeln wurden außerdem Anschliffpräperate[17] angefertigt und anschließend mikroskopisch untersucht (Abb. 7).

Abb. 7. Querschliffdetail der Schichtenabfolge einer Malschichtprobe vom nördlichen Schlussstein unter dem Polarisationsmikroskop. Hier sind sowohl die beiden Vergoldungen von 1335 und 1874 als auch die Grundierungsschichten ablesbar (© Labor Drewello & Weißmann GmbH/Ursula Drewello, 2017)

Im Ergebnis dieser Analysen lässt sich die schrittweise Abfolge der Bemalung auf den Schlusssteinuntersichten sehr genau nachvollziehen. Es zeigten sich Befunde, die für Malereien auf Stein ausgesprochen ungewöhnlich sind, wie unter anderem eine aufwendige Vorbereitung der Untergründe in mehreren Arbeitsgängen.

Bevor die eigentliche Ausführung der Bildmotive erfolgte, wurden zunächst die Oberflächen des Sandsteines geschliffen und mit einem Gemisch aus Hautleim und ausgesiebtem Sand bestrichen. Dieser ersten Grundierung wurde zusätzlich noch etwas Leinöl und Kalk zugegeben. Hierbei handelt es sich um eine Art Sperrschicht, vergleichbar mit einer sogenannten ersten „Leimlösche“ bei mittelalterlichen Holzskulpturen oder Tafelbildern. Der erwähnte, in der Mischung enthaltene feine Sandzuschlag, homogenisiert darüber hinaus die körnigen Steinoberflächen, indem er letzte Unebenheiten ausgleicht. Anschließend erfolgte der Auftrag eines Kreidegrundes, der den Analysen zufolge neben Hautleim auch einen Ölanteil und eine Zugabe von gelben, roten und grünen Erdpigmenten enthält. Ein solcher Kreidegrund wurde in der Regel in mehreren Arbeitsgängen aufgebaut. Dadurch entstand an den Bebenhäuser Schlusssteinen insgesamt eine größere Schichtdicke dieser Grundierung.

Bei der Betrachtung des Probenmaterials unter dem Fluoreszenzmikroskop wurde zudem überraschenderweise festgestellt, dass in der unteren Ebene der Kreidegrundierungsschicht zusätzlich ursprünglich ein feines Leinwandgewebe eingelegt war. Der Stoff ließ sich mittels UV-Licht in den Proben nur noch als mineralisierter „Abdruck“ einer Gewebestruktur nachweisen. Bei starker Vergrößerung waren innerhalb der Grundierung in regelmäßigen Abständen charakteristische Formen ablesbar, die als Kett- und Schussfäden eines ehemals vorhandenen Gewebes interpretiert werden konnten.[18]

Durch ungünstige raumklimatische Verhältnisse, die mehr als 250 Jahre lang im Sommerrefektorium bestanden,[19] ist das organische Material durch Mikroorganismen zwischenzeitlich weitgehend abgebaut worden. Grundsätzlich ist jedoch davon auszugehen, dass ein solcher textiler Träger auf sämtlichen Schlusssteinen innerhalb der unteren Grundierungsschichten eingebettet war.

Im nächsten Arbeitsgang wurde eine weitere Vorbereitungsschicht aufgetragen, bei der es sich um eine ölhaltige Bleiweißgrundierung handelt, der das orangefarbene Bleipigment Mennige beigemischt wurde. Die Schicht kann als Öltempera mit Anteilen von Bleiseifen und Proteinen bezeichnet werden. Als abschließende Grundierung wurde sie offensichtlich geglättet, da sich eine auffallende Bindemittelanreicherung an ihrer Oberfläche beobachten ließ. Erst dann schloss sich die eigentliche dekorative Gestaltung der Schlusssteinuntersichten an. Hierfür strich man zunächst eine weitere ölgebundene Mischung aus verschiedenen bleihaltigen Weiß- und Gelbpigmenten sowie reichlich Gelbocker, etwas Grüner Erde und Holzkohle auf, die zudem auch einen Zuschlag von Kreide und feinem Sand enthält und entsprechend pastos ist. Diese Schicht diente als farbiges Anlegeöl für die anschließend ausgeführte flächige Vergoldung, die warmtonig wirkt.

Im Zentrum der Goldgründe wurde im Folgenden das Inkarnat der Figuren aufgetragen. Dafür verwendete man eine Öltemperamischung, die als Pigmentbeigaben überwiegend Bleiweiß, aber auch Bleimennige und wertvolles Zinnoberrot enthält. Für weitere malerische Details, wie beispielsweise Haare und Konturen kamen darüberhinaus zum Teil ungewöhnliche Pigmente und Ausmischungen zum Einsatz, wie die Analysen der Malschichtproben ergaben. So konnte nachgewiesen werden, dass der mittelalterliche Maler die meisten der von ihm verwendeten Pigmente gebrannt hat, bevor er sie seinen Farben beigab. Unter anderem erzeugte er auf diese Weise ein Knochenweiß, aber auch Braun- und Grüntöne. Somit stand ihm nach neuesten Erkenntnissen durchaus eine vergleichsweise reiche Malpalette[20] zur Verfügung.

Als besonders dekorativer Akzent wurden sowohl für die meisten Figurengewänder als auch für die Felle der auf den Schlusssteinen dargestellten Tiere rote und grüne Lüster eingesetzt, bei denen die Goldgrundlagen jeweils mitwirken.

Auch innerhalb der vergoldeten Bildpartien lassen sich Differenzierungen erkennen. Offensichtlich war dabei beabsichtigt, matte oder strukturierte Goldflächen von stärker glänzenden Bereichen der Vergoldung abzusetzen. Hierfür wurden feine geschwungene Linien in hellgelber Farbe direkt auf die Goldoberfläche aufgemalt. Durch diese Technik ergibt sich bei natürlichem Licht eine Kontrastwirkung, indem sich eine mit Linien „mattierte“ Goldfläche deutlich von den umgebenden hochglänzenden Vergoldungen der Bildhintergründe unterscheidet. Die einzelnen feinen Linien sind mit bloßem Auge ansonsten nicht als Gestaltungselement wahrnehmbar, sondern werden nur bei der Beleuchtung des Schlusssteins mit ultraviolettem Licht[21] sichtbar.

Ein ähnlicher Effekt ist auch bei den vergoldeten Hintergründen an dem Tafelbild „Maria als Thron Salomonis“ zu beobachten. Hier sind es fein punzierte Flächen mit in den Untergrund eingeprägten Rankenmotiven,[22] die letztendlich matter erscheinen als die übrigen glänzend vergoldeten Bildflächen (Abb. 8).

Abb. 8. Detail einer Jungfrauenfigur auf dem Bebenhäuser Tafelbild von 1335, im Hintergrund Punzierungen innerhalb der Goldflächen (© Luise Schreiber-Knaus, 2017)

„Werkstattfassungen“– Schlusssteinuntersichten vor dem Einbau bemalt

Im Zuge der Untersuchung der Malereien auf den Schlusssteinuntersichten ergab sich bereits früh die Frage, ob die Schlusssteine im eingebauten Zustand bemalt oder bereits zuvor gefasst worden waren. Am Objekt selbst ließ sich vorerst kein Beleg finden, der eine der beiden Thesen eindeutig stützen würde. Jedoch ist davon auszugehen, dass es sich bei den exquisiten Malereien auf den Untersichten der Steine um sogenannte „Werkstattfassungen“ handelt, bei denen die Schlusssteine am Boden vom Maler gefasst und erst danach in die Gewölbe versetzt worden sind. Für eine entsprechende Vorgehensweise gibt es andernorts nachgewiesene Befunde.[23] Zum Malen der sehr kleinen Augen mit Pupillen und Iris, aber auch des fein abgestuften Wangenrots, der Gesichtsschattierungen und Lippenkonturen waren eine ruhige Hand sowie ausreichend Zeit notwendig. Auch für den schon beschriebenen Auftrag der Grundierungsschichten, die Anbringung des textilen Trägers und natürlich die Umsetzung der Vergoldungen und Lüster wären günstigere Arbeitsbedingungen, als auf einem Gerüst der damaligen Zeit gegeben waren, wohl vorgezogen worden.

Nicht zuletzt sind die Malereien auf den Untersichten, bedingt durch deren charakteristische, nach innen gewölbte Form[24] auch besser geschützt als beispielsweise Malereien auf der Außenseite der Steinteile. Zudem ist anzunehmen, dass die empfindlichen vergoldeten und bemalten Untersichten vor dem Versetzen der Steine noch mit weichen Materialien, wie beispielsweise Leinwand, Wolle oder Stroh gepolstert worden sind. Die restlichen dekorativen Bemalungen auf den profilierten Seiten der Schlusssteine wurden anschließend wohl analog zu den Gewölberippen erst nach der Fertigstellung der Gewölbe ausgeführt.

Gattungsübergreifendes Arbeiten auf diversen Untergründen

Weder der Name noch die Herkunft des Künstlers, der die Bebenhäuser Schlusssteinuntersichten sowie das zum selben Werkkomplex gehörende Tafelbild aus dem Tympanonfeld über dem Eingang des Sommerrefektoriums geschaffen hat, sind überliefert. Jedoch war der Maler offensichtlich unter anderem in der Kunst der Tafelmalerei geschult. Dies lässt sich sowohl anhand der technischen Umsetzung seiner Vorbereitungsschichten als auch an der Feinheit der Ausführung malerischer Details erkennen. Durch direkte stilistische und maltechnische Vergleiche[25] ist inzwischen sicher davon auszugehen, dass es sich trotz der unterschiedlichen Malgründe um ein und denselben Maler oder zumindest um dieselbe Werkstatt handelt, von der wohl darüber hinaus die ebenfalls 1335 entstandenen figürlich bemalten Glasscheiben stammen, welche ehemals im Ostfenster der Klosterkirche Bebenhausen installiert waren. Interessant ist unter diesem Aspekt die Feststellung, dass die Größenverhältnisse der dargestellten Figuren sowohl auf dem Tafelbild als auch auf den Schlusssteinuntersichten einander weitgehend entsprechen. Die Figuren der fragmentarisch erhaltenen Bebenhäuser Fensterscheiben[26] sind zum Teil nur unwesentlich größer angelegt.

Ursprünglich waren auch die elf hohen Maßwerkfenster des Sommerrefektoriums mit Glasmalereien versehen, die ein Hagelunwetter[27] schon Anfang des 17. Jahrhundert stark beschädigt hatte. 1781 ließ man auf Wunsch des württembergischen Herzogs Carl Eugen im Kloster Bebenhausen 43 bemalte Fensterscheiben ausbauen und in dessen Sammlung nach Hohenheim überführen.[28] Die Bebenhäuser Scheiben wurden anschließend beschnitten und zeitweise in einer Kapelle im neu angelegten Hohenheimer Schlosspark eingebaut. Nach weiteren Zwischenstationen werden sie seit 1938 im württembergischen Schloss Altshausen aufbewahrt. Dort sind heute noch 17 zusammengehörige Scheiben[29] (Abb. 9) erhalten, die sämtlich dem 1335 entstandenen Ostfenster der Klosterkirche zugeordnet werden. Der Verbleib der übrigen, in den Archivalien des 18. Jahrhunderts erwähnten Fenstergläser ist nicht bekannt. Ein Teil dieser verschollenen Objekte könnte durchaus zur ehemaligen Verglasung des Sommerrefektoriums gehört haben. Noch Mitte des 19. Jahrhunderts waren an den Fenstern des Raumes Fragmente farbiger Glasmalereien[30] vorhanden. Betrachtet man die künstlerisch herausragenden überlieferten Reste der mittelalterlichen Scheiben vom Ostfenster der Klosterkirche, ist zu erahnen, welchen Effekt entsprechende Verglasungen im saalartigen Sommerrefektorium wohl einst hatten. Abgesehen von der prunkvollen übrigen Gestaltung des Raumes, erzeugten allein schon die annähernd einhundert Quadratmeter farbiger Glasflächen eine beeindruckende, raumprägende Wirkung.[31]

Abb. 9. Glasmalerei mit der Darstellung des Evangelisten Johannes, ursprünglich vom 1335 entstandenen Ostfenster der Klosterkirche Bebenhausen, heute im Schloss Altshausen (© Rainer Wohlrabe, CVMA Freiburg, CC BY-NC 4.0 Permalink: https://corpusvitrearum.de/id/F157)

Abb. 10. Glasmalerei mit der Darstellung des Königs David aus dem „Marienfenster“ (Fenster II) im Chor der Frauenkirche Esslingen, entstanden ca. 1330-1335 (© Rotraud Harling, CVMA Freiburg, CC BY-NC 4.0 Permalink: https://corpusvitrearum.de/id/F315)

Die bis heute erhaltenen Ausstattungsdetails aus der Bauzeit des Bebenhäuser Sommerrefektoriums sind ein schönes Beispiel für das vermutlich nicht seltene, gattungsübergreifende Arbeiten bestimmter mittelalterlicher Werkstätten und Meister. Interessant wäre diesbezüglich auch eine weitere Erforschung maltechnischer Besonderheiten der Glasmalereien aus Bebenhausen. Zuletzt wurden die Originalfragmente offenbar in den 1950er Jahren von Hans Wentzel untersucht, der sich bereits ausführlicher mit einzelnen technologischen Auffälligkeiten der bemalten Scheiben beschäftigt hat. So bemerkte er unter anderem die für Glasmalerei ungewöhnlich „malerische“ Arbeitsweise des Künstlers sowie dessen Einbeziehung der Scheibenrückseiten[32] in die Gestaltung.

Im Unterschied dazu kann man bei der zeitgleich entstandenen, großflächigen Gewölbeausmalung des Sommerrefektoriums mit Ranken und Tierfiguren von „klassischen“ Wand- oder Gewölbemalereien sprechen. Die Gewölbeflächen wurden 1335 in einer Kalktechnik, vermutlich unter Verwendung zusätzlicher Bindemittel bemalt. Sämtliche Motive sind großzügig dimensioniert angelegt und für eine dekorative Fernwirkung entworfen worden. Aus stilistischer Sicht sind sie den vergleichsweise „miniaturhaften“ Malereien der Schlusssteinuntersichten wenig ähnlich, wobei eine genauere Beurteilung auf Grund der 1874 ausgeführten flächigen Übermalung der Rankenmalereien schwierig ist. Abgesehen von einzelnen farbigen Abweichungen, wiederholt die Fassung des 19. Jahrhunderts die darunter noch weitgehend erhaltenen hochgotischen Malereien jedoch annähernd originalgetreu.[33]

Künstlerische Einflüsse aus Esslingen und Straßburg

Die bisherige Forschung hat bereits mehrfach auf deutliche stilistische Parallelen zu verschiedenen Esslinger Kunstwerken[34] hingewiesen, die in der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts entstanden. Hier sind insbesondere Glasmalereien bestimmter Werkstätten in der Esslinger Frauenkirche (Abb. 10) anzuführen, aber auch das Wandbild „Der Tod des heiligen Alexius“ an der Nordwand des Chores derselben Kirche, welches sich hinter einer aufschwenkbaren Holzverkleidung befindet. Der Chor der Frauenkirche wurde bis etwa 1335 fertiggestellt,[35] also zur selben Zeit wie das Bebenhäuser Sommerrefektorium.

Die Reichsstadt Esslingen war im Mittelalter ein bedeutendes Kunstzentrum im süddeutschen Raum, wobei vor allem die verschiedenen dort ansässigen Glasmalereiwerkstätten hervorzuheben sind. Schon wenige Jahre nach der Gründung des Klosters Bebenhausen unterhielten die Mönche einen Pfleghof in dieser Stadt. Wie Peter Rückert zuletzt genauer beleuchtet hat, lassen sich unter Abt Konrad von Lustnau archivalisch zudem enge verwandtschaftliche Beziehungen[36] einzelner Mitglieder des Bebenhäuser Konvents zur Esslinger Frauenkirche belegen. Wahrscheinlich war der mittelalterliche „Schlusssteinmeister“, beziehungsweise die Werkstatt[37], die mit ihm im Zusammenhang steht, zuerst in Esslingen erfolgreich tätig und wurde von dort dem Bebenhäuser Abt empfohlen (vgl. Abb. 11 und 12).

Abb. 11. Detail mit dem Kopf einer Jungfrau aus der Darstellung der Aussetzung des Mosesknaben vom „Bibelfenster“ (Fenster I) im Chor der Frauenkirche Esslingen, entstanden ca. 1330-1335 (© Rotraud Harling, CVMA Freiburg, CC BY-NC 4.0, Permalink: https://corpusvitrearum.de/id/F287)

Abb. 12. Detail mit dem Kopf der Jungfrau mit dem Einhorn, Schlusssteinbemalung, Bebenhausen 1335 (© Alexandra Winkels, 2016)

Darüber hinaus werden seit Mitte des 20. Jahrhunderts für die Ausstattungsdetails, die um das Jahr 1335 für das Kloster Bebenhausen geschaffen worden sind, auch französische Einflüsse vermutet (vgl. Abb. 3). Rüdiger Becksmann stellte den bemalten Bebenhäuser Glasscheiben beispielsweise sehr überzeugend Fenster aus der ehemaligen Dominikanerkirche in Straßburg gegenüber.[38]

Seltene Instrumentendarstellungen

Bei der Suche nach dem unbekannten Meister verdienen auch die selten dargestellten mittelalterlichen Instrumente mehr Beachtung, die auf den Schlusssteinuntersichten von Engeln gespielt werden. Insgesamt sind sechs Instrumente aus der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts abgebildet, auf deren stilistische Herkunft in bisheriger Literatur noch nie genauer eingegangen worden ist. So bläst einer der Bebenhäuser Engelsmusiker auf einer Doppelflöte mit zwei separaten Röhren, die hier in stumpfem Winkel weit auseinander gehalten werden. Ein anderer spielt eine fünfsaitige Fidel, also ein violinenartiges Streichinstrument. Auf einem weiteren Schlussstein ist ein Engel mit einem Portativ, einer tragbaren Kleinorgel, zu sehen. Darüber hinaus ist ein sogenanntes „Psalterium“ abgebildet (Abb. 13), das optisch an eine Zither erinnert. Hier ist vor allem die durch die Handhaltung des Engels erkennbare Spielweise aus Sicht der musikgeschichtlichen Forschung von Interesse. Das Bebenhäuser Psalterium wird offensichtlich gleichzeitig mit einer Hand gezupft und mit der anderen Hand mit einem Plektrum zum Klingen gebracht.[39]

Abb. 13. Detail des Engels mit Psalterium, Schlusssteinbemalung, Bebenhausen 1335 (© Alexandra Winkels, 2016)

Bemerkenswert ist auch die Darstellung einer Dreiecksharfe mit unten liegendem Korpus (Abb. 14), welcher wohl als Resonanzraum des Instrumentes wirkt. Diese ausgesprochen seltene Harfe ist gleichzeitig ein weiteres Indiz für einen Bezug des Künstlers zu der Glasmalereiwerkstatt, die das sogenannte „Marienfenster“ im Chor der Esslinger Frauenkirche schuf. Es ist bisher nur eine einzige weitere Instrumentendarstellung dieser Art in Deutschland bekannt, die der Bebenhäuser Harfe zudem verblüffend ähnelt. Das entsprechende Motiv findet sich innerhalb des Marienzyklus auf einer Glasscheibe mit der Figur des alttestamentarischen Königs David im Chor der Frauenkirche (Abb. 15) und wird in eine Entstehungszeit zwischen 1330 und 1335[40] datiert. Ein heute auffälliges Unterscheidungsmerkmal beider Instrumente geht auf eine Fehlinterpretation im Zusammenhang mit der Restaurierung[41] der Schlusssteine in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts zurück. So sind die ehemals vertikal angeordneten Seiten der Bebenhäuser Harfe bei deren Überarbeitung durch den Restaurator Georg Loosen 1874 in horizontaler Ausrichtung neu aufgemalt worden. Aktuell ist geplant, diese Harfe möglichst detailgetreu nachzubauen,[42] um ihren archaischen Klang bei zukünftigen Konzerten tatsächlich erleben zu können.

Abb. 14. Detail eines Engels mit seltener Dreiecksharfe, Schlusssteinbemalung, Bebenhausen 1335 (© Alexandra Winkels, 2016)

Abb. 15. Detail aus Abb. 10, Darstellung des Königs David mit ähnlicher Dreiecksharfe, Glasfenster im Chor der Frauenkirche Esslingen, ca. 1330-1335 (© Rotraud Harling, CVMA Freiburg, CC BY-NC 4.0 , Permalink: https://corpusvitrearum.de/id/F315)

Besonders außergewöhnlich ist jedoch der Engel mit der Citole (Abb. 16), der das musizierende himmlische Ensemble auf den Schlusssteinen komplettiert. Genauer handelt es sich bei dem Instrument, dessen charakteristische Form etwas an das Blatt einer Stechpalme erinnert, um eine sogenannte „Daumenlochcitole“.[43] Dieses Instrument war im 14. Jahrhundert vor allem in Frankreich verbreitet. Eine nachträgliche Auswertung der 2017 erstellten UV-Fotografien der Schlusssteinuntersichten ergab, dass der Engel die Saiten der Citole ursprünglich mit einem Plektrum spielte, welches heute abgedeckt ist.[44]

Abb. 16. Detail des Engels mit der „Daumenlochcitole“, Schlusssteinbemalung, Bebenhausen 1335 (© Alexandra Winkels, 2016)

Wie ein Vergleich mit weiteren mittelalterlichen Darstellungen zeigte, handelt es sich bei der Bebenhäuser Citole nicht nur um eine sehr seltene, sondern außerdem um eine der frühesten Abbildungen dieses Instrumentes im deutschsprachigen Raum.[45]

Gab es um 1335 eine temporäre „Künstlerwerkstatt“ in Bebenhausen?

Bekanntlich war der Bauherr des Sommerrefektoriums, Abt Konrad von Lustnau, ein Auftraggeber mit außerordentlich hohem Anspruch an die künstlerischen Qualitäten der Ausführenden.[46] Unter ihm fanden umfangreiche Baumaßnahmen an der Klosteranlage statt, die einer größeren Anzahl von Künstlern und Bauhandwerkern Beschäftigung boten. So ist anzunehmen, dass in den 1330er Jahren zumindest zeitweise auch eine Art „Künstlerwerkstatt“ vor Ort auf dem Gelände des Klosters existierte. Aus praktischen Gründen muss beispielsweise die Bemalung der Schlusssteinuntersichten parallel zum laufenden Baubetrieb erfolgt sein.[47] Somit war dem Abt teilweise eine direkte Einflussnahme auf den Entstehungsprozess der von ihm beauftragten Kunstwerke möglich.

Auch das spannende Thema des reisenden Künstlers sowie des Transfers von Materialien und Entwurfsvorlagen auf Baustellen des Mittelalters bietet weitere Anknüpfungspunkte (vgl. Abb. 3). Die Suche nach Schlusssteinen in Deutschland und Europa, die Ähnlichkeiten zu denen des Bebenhäuser Sommerrefektoriums aufweisen, gestaltet sich schwierig. Grundsätzlich sind skulptierte Schlusssteine wesentlich häufiger anzutreffen, flächig bemalte dagegen selten.[48]

In der Zusammenschau aller bisher bekannten Informationen zum Bestand, den angewandten Techniken[49] sowie stilistischen Merkmalen des Bebenhäuser Werkkomplexes von 1335 rückt sicherlich die Forschung zu vergleichbaren Glasmalereien[50] und den zumeist unbekannten Meistern der Glasmalerei[51] weiter in den Fokus.

[1] Über diesen besonders kunstsinnigen Bauherrn hat zuletzt Peter Rückert 2021 einen ausführlichen Beitrag verfasst, vgl. Peter RÜCKERT, « Abt Konrad von Lustnau (1320-1353) als Bauherr des Sommerrefektoriums in Bebenhausen », in: D. ADE, S. FROMMER, T. MARSTALLER, A. K. SCHOLZ, M. TERP-SCHUNTER, C. VOSSLER-WOLF, M. WOLF (Hrsg.) Sachgeschichte(n). Festschrift für Barbara Scholkmann zum 80. Geburtstag. Beiträge zu einer interdisziplinär verstandenen Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit, Tübingen, Eberhard Karls Universität Tübingen, 2021, S. 465-483.

[2] Vgl. dazu Luise SCHREIBER-KNAUS, « Die figürlich bemalten Schlusssteine im Gewölbe des Sommerrefektoriums in Bebenhausen. Neue Beobachtungen zur mittelalterlichen Maltechnik und zur Restaurierung des 19. Jahrhunderts » , in: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Hrsg.), Öffnen, Bewahren, Präsentieren. Durch Zeit und Raum: Mit unseren Monumenten, Mainz, Nünnerich-Asmus Verlag, 2017, S. 222.

[3] Auch nach dem Abschluss der Sicherungsmaßnahmen vor Ort gehen die Forschungen weiter und werden bis heute laufend ergänzt.

[4] Zur kunstgeschichtlichen Einordnung dieses Gemäldes, dass als ältestes Tafelbild „Schwabens“ gilt, vgl. zuletzt Inga FALKENBERG, « Das Tympanongemälde aus dem Sommerrefektorium in Bebenhausen. Ein Forschungsüberblick zur stilkritischen Einordnung », in: K. G. BEUCKERS, P. PESCHEL (Hrsg.), Kloster Bebenhausen. Neue Forschungen (Wissenschaftliche Beiträge der Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg, Bd. 1), Bruchsal, 2011, S. 97-107.

[5] Die heutige Staatsgalerie war in dieser Zeit noch „Königliches Museum der Bildenden Künste“, Teile des Klosters Bebenhausen wurden als Jagdschloss der württembergischen Landesherren genutzt. Sowohl für die Klostergebäude mitsamt der darin befindlichen Ausstattung als auch für die im Stuttgarter Museum gezeigten Kunstwerke war demnach damals der württembergische Hof unter König Wilhelm II. zuständig.

[6] z.B. Mathias KÖHLER, Die Bau- und Kunstgeschichte des ehemaligen Zisterzienserklosters Bebenhausen bei Tübingen. Der Klausurbereich (Veröffentlichungen der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg, Reihe B: Forschungen, Bd. 124), Stuttgart, Kohlhammer, 1995, S. 232. Marc Carel SCHURR, « Zur Baugeschichte des Klosters Bebenhausen und zur kunsthistorischen Bedeutung seiner Architektur », in: U. SCHWITALLA, W. SETZLER (Hrsg.), Die Zisterzienser in Bebenhausen, Tübingen, Kulturamt der Stadt, 1998, S. 71-78.

[7] Vgl. Jürgen MICHLER, « Studien zum Bebenhäuser Sommerrefektorium », Jahrbuch der Staatlichen Kunstsammlungen in Baden-Württemberg, 35, 1998, S. 45-53.

[8] Vivien BIENERT, « Die Schlusssteine im Sommerrefektorium des Zisterzienserklosters Bebenhausen und ihr Malereiprogramme », in: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (Hrsg.), Öffnen, Bewahren, Präsentieren. Durch Zeit und Raum: Mit unseren Monumenten, Mainz, Nünnerich-Asmus Verlag, 2017, S. 224-239.

[9] RÜCKERT, op. cit., 2021.

[10] Zerstörungsfreie NIR-Messungen im Bereich eines östlichen Fensters und der südlichen Säule des Sommerrefektoriums, Untersuchungsbericht von Dr. Judith Zöldföldi/MPA Stuttgart vom 01.10.2019.

[11] Peter RÜCKERT spricht von bemerkenswerten finanziellen „Spielräumen“, die der Abt Konrad von Lustnau seit den 1320er Jahren für das Kloster erwirtschaftet hatte, vgl. RÜCKERT, op. cit., S. 469.

[12] Bereits in früheren Baubeschreibungen wird u.a. die „Scharfkantigkeit“ der Maßwerkfenster des Sommerrefektoriums betont, vgl. KÖHLER, op. cit., S. 220.

[13] Auch hinsichtlich der anschließend ausgeführten Vergoldungen auf den Untersichten der Schlusssteine sind diese speziellen Merkmale des steinernen Ausgangsmaterials im Auge zu behalten, vgl. hierzu weiter unten.

[14] Dieses Material wird in der weiteren Umgebung des Klosters seit dem Mittelalter abgebaut, zum Beispiel in Gönningen bei Reutlingen am Rand der Schwäbischen Alb.

[15] Die Entnahmebereiche wurden zuvor mit Frau Dr. Dörthe Jakobs vom Fachbereich Restaurierung des Landesamtes für Denkmalpflege Esslingen abgestimmt.

[16] Labor Drewello & Weißmann Bamberg, das Folgende aus dem Untersuchungsbericht AN 3055 vom 02.03.2017. Dank an dieser Stelle dem Labor Drewello für seine außerordentlich präzisen analytischen Untersuchungen, aus denen sich erst die folgenden Ergebnisse ableiten ließen.

[17] Labor Drewello & Weißmann, Bamberg, vgl. Abb. 8-11 bei SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 212.

[18] Angaben von Prof. Dr. Rainer Drewello, Bamberg, telefonisch mitgeteilt am 10.03.2017.

[19] Vom frühen 17. Jahrhundert bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts waren u.a. die Fensterverglasungen des Sommerrefektoriums beschädigt.

[20] In einer älteren Abhandlung zur Maltechnik des zugehörigen Tympanongemäldes wird dagegen noch von wenigen Pigmenten ausgegangen, die dem Künstler 1335 zur Verfügung gestanden haben, vgl. dazu Eduard PAULUS, Die Cisterzienser-Abtei Bebenhausen, Stuttgart, 1886, S. 117.

[21] Vgl. Abb. 12 (Alexandra Winkels) bei SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 213.

[22] Ibidem, Abb. 13, S. 214.

[23] Als Vergleichsbeispiel für entsprechende Befunde ist das ebenfalls in der ersten Hälfte des 14. Jh. entstandene „Weltgerichtsportal“ von St. Sebald in Nürnberg zu nennen, freundlicher Hinweis von Prof. Rainer Drewello/Bamberg, telefonische Auskunft vom 10.03.2017.

[24] Vgl. Abb. 4 bei SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 209.

[25] Vgl. dazu PAULUS, op. cit., S. 116-118, zuletzt SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 214, 219-220.

[26] In der Bruderhalle des Klosters sind seit der Sonderausstellung „ora & labora“ im Jahr 1998 gute Repliken dieser Scheiben ausgestellt.

[27] Jürgen MICHLER, « Bebenhausen 1874/75: „Restauration“ des Sommerrefektoriums », Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes, 28/2, 1999, S. 94.

[28] Rüdiger BECKSMANN, « Die Heilsgeschichte in Maßwerk gesetzt. Zur Rekonstruktion des Ostfensters im Chor der Klosterkirche zu Bebenhausen », in: U. SCHWITALLA, W. SETZLER (Hrsg.), Die Zisterzienser in Bebenhausen, Tübingen, 1998, S. 109, 119.

[29] Eine einzelne, nicht beschnittene Scheibe aus demselben Malereizyklus befindet sich im Schloss Lichtenstein. erwähnt z.B.0 bei Jürgen MICHLER, « Bebenhausen, 1335: Das monumentale Prachtfenster im Chor der Klosterkirche. Zeugnis eines kulturgeschichtlichen Umbruchs », Denkmalpflege in Baden-Württemberg. Nachrichtenblatt des Landesdenkmalamtes 26/1, 1997, S. 11-16.

[30] Karl KLUNZINGER, Artistische Beschreibung der vormaligen Cisterzienser-Abtei Bebenhausen, Stuttgart, Sonnewald, 1852, S. 29.

[31] Die Glasmalerei gilt als ein „Leitmedium“ der Gotik, telefonischer Hinweis vom 29.07.2021 von Dr. Hartmut Scholz, dem Leiter der Freiburger Arbeitsstelle des Corpus Vitrearum Deutschland.

[32] Hans WENTZEL, Die Glasmalereien in Schwaben von 1200-1350 (Corpus Vitrearum Medii Aevi, Deutschland, Bd. I). Berlin, 1958, S. 181.

[33] Deren nicht restaurierter Originalzustand wurde erstmals 1865 von dem berühmten Pionier der Architekturfotografie Jakob August Lorent dokumentiert, danach 1868 aufgenommen von Paul Sinner, vgl. Abb. 16 bei SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 218.

[34] Vgl. dazu u.a. WENTZEL, 1958, op. cit., BECKSMANN, 1998, op. cit., zuletzt RÜCKERT, op. cit.

[35] Rüdiger BECKSMANN, Von der Ordnung der Welt. Mittelalterliche Glasmalereien aus Esslinger Kirchen, Katalogbuch zur Ausstellung in der Esslinger Franziskanerkirche, Esslingen, Hatje Cantz Verlag, 1997, S. 120.

[36] RÜCKERT, op. cit., S. 478-479.

[37] Eine künstlerisch herausragende Esslinger Glasmalereiwerkstatt, die auch Tafel- und Wandmalereien ausführte, erwähnte u.a. bereits BECKSMANN, 1997, op. cit., S. 22.

[38] Abb. der Fenster von 1331 bei BECKSMANN, 1998, op. cit., S. 112-113.

[39] Hinweis von Marc Lewon per Email vom 27.09.2018, Prof. für mittelalterliche Lauteninstrumente an der Schola Cantorum Basiliensis. Die neuen Erkenntnisse zu den auf den Bebenhäuser Schlusssteinen dargestellten Instrumenten ergaben sich auf der Grundlage eines anregenden interdisziplinären Austauschs zwischen auf Alte Musik spezialisierten Musikern, Musikwissenschaftlern, Instrumentenbauern und der bearbeitenden Restauratorin/Autorin im Zeitraum der letzten fünf Jahre.

[40] Der Chor der Esslinger Frauenkirche war bis 1335 wohl bereits vollständig verglast, vgl. dazu BECKSMANN, 1997, op. cit., S. 120.

[41] SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 217-219.

[42] Versuch einer spielbaren Rekonstruktion durch den auf historische Harfen spezialisierten Instrumentenbauer Eric W. Kleinmann/Rangendingen.

[43] Auskunft von Marc Lewon per Email vom 27.09.2018.

[44] Das Plektrum lässt sich unter einer partiellen Neuvergoldung des 19. Jahrhunderts bei entsprechender Beleuchtung noch schemenhaft erkennen.

[45] Weitere Abbildungen von Citolen im Gebiet des heutigen Deutschlands finden sich zumeist an der französischen Sprachgrenze (z.B. in Trier, Straßburg und Köln), ebenfalls ein Hinweis von Marc Lewon per Email vom 27.09.2018.

[46] RÜCKERT, op. cit., S. 470.

[47] Die Herstellung von Glasfenstern erforderte dagegen zusätzlich einen entsprechenden Brennofen. Sowohl die bemalten Fensterscheiben als auch das Tafelbild könnten auch an einem anderen Ort, zum Beispiel in Esslingen, angefertigt und von dort nach Bebenhausen geliefert worden sein.

[48] SCHREIBER-KNAUS, op. cit., S. 216-217.

[49] Als Bezug zu Techniken der Glasmalerei ist u.a. die an den Bebenhäuser Malschichtproben 2017 festgestellte, ungewöhnlich häufige Verwendung von gebrannten Pigmenten anzuführen, auf welche Prof. Rainer Drewello in seinem Vortrag: „Naturwissenschaftliche Analysen von Proben der Schlusssteinbemalungen“ (unpubliziert) im Rahmen der Tagung „Das Sommerrefektorium im Licht neuer Forschungen“ am 27.09.2018 in Bebenhausen hinwies (gemeinsame Veranstaltung der Materialprüfanstalt der Universität Stuttgart, Schlösser und Gärten Baden-Württemberg und dem Landesamt für Denkmalpflege in Regierungspräsidium Stuttgart).

[50] Zum Beispiel die um 1330 datierten Prophetendarstellungen innerhalb der „Passion Christi“-Fenster im Chor der ehemaligen Klosterkirche Königsfelden/Schweiz.

[51] Vgl. dazu u.a. Hans WENTZEL, Glasmaler und Maler im Mittelalter (Zeitschrift für Kunstwissenschaft, Bd. III, Heft 3/4), Berlin, 1949, S. 59.

Pour citer cet article : 
Luise SCHREIBER-KNAUS, « Figürliche Malereien auf Goldgrund – Neue Forschungsergebnisse zu den außergewöhnlichen Schlusssteinbemalungen im Sommerrefektorium des Klosters Bebenhausen », dans Ilona HANS-COLLAS, Anne VUILLEMARD-JENN, Dörthe JAKOBS, Christine LEDUC-GUEYE (dir.), La peinture murale en Alsace au cœur du Rhin supérieur du Moyen Âge à nos jours, Actes du colloque de Guebwiller (2-5 octobre 2019), Caen, Groupe de Recherches sur la Peinture Murale (GRPM), 2023, mis en ligne en février 2023. URL : https://grpm.asso.fr/activites/publications/colloque-guebwiller/luise_schreiber_knaus/.