Cornelia Marinowitz
Diplom-Restauratorin
Zusammenfassung : Das Chorgewölbe wird 1517 fertiggestellt und gleich an zwei prominenten Stellen signiert. Niklaus Manuel Deutsch, ein bekannter Berner Maler jener Zeit, signiert das Werk, für das er nach den Quellen eine hohe Summe zugesprochen bekommt. Was alles zu « seinem Werk » gehörte, ist bis heute nicht ganz klar umrissen. Sicher ist, dass eine größere Gruppe von Knechten an der Ausführung beteiligt war, da auch sie in den Rechnungsquellen Erwähnung finden. Deutlich wird die Gruppe an den sehr unterschiedlichen Handschriften der Muster, von denen es nicht zwei gleiche gibt. Die Malerei steht zeitlich an der Schwelle vom Spätmittelalter zur Frührenaissance und beinhaltet Komponenten der alten und der neuen Gestaltungsweise. Das Gewölbe musste in 500 Jahren keine größeren Restaurierungen über sich ergehen lassen. Erst 2014 bis 2017 fand nach einer kleineren Maßnahme von 1910 eine erste umfassende Konservierung/Restaurierung statt, bei der bisher noch unpublizierte Erkenntnisse zur Malweise, zur Technologie und zu den Malern selbst dokumentiert werden konnten. Eine Restaurierung in diesem Umfang braucht ein Team. In Bern standen die BernerMünsterstiftung mit der Baukommission und die Münsterarchitekten Hermann Häberli und Annette Loeffel hinter dem Projekt. Durch sie wurden die umfangreichen wissenschaftlichen Untersuchungen erst möglich, die weit über das normale Maß hinaus reichten. Mit der Restaurierung des Chores startete gleichzeitig ein Nationalfondprojekt der Universität Bern unter Leitung von Prof. Dr. Bernd Nicolai und Prof. Dr. Jürg Schweizer zur Aufarbeitung der ersten 100 Jahre des Berner Münsters. Die neuen Erkenntnisse zur Bemalung der Kappen werden in der bevorstehenden Publikation veröffentlicht. Berner Münster-Stiftung, Das interaktive Chorgewölbe mit Ansichten der Schlusssteine (normal und 3D): http://www.bernermuensterstiftung.ch/chorgewoelbeinteraktiv/chorgewoelbeinteraktiv.php, Leitende Restauratorin im Projekt Cornelia Marinowitz: https://www.netzwerk-bauundforschung.com/Cornelia-Marinowitz.
La voûte du chœur de la cathédrale de Berne et ses peintures mauresques – Un témoin de la peinture décorative de la première Renaissance
Résumé : La voûte du chœur de la cathédrale de Berne a été terminée en 1517 et a été signée à deux endroits significatifs. Niklaus Manuel Deutsch, un célèbre peintre bernois à cette époque, signe l’œuvre, pour laquelle il reçut une somme élevée comme l’attestent les sources. Jusqu’à aujourd’hui, l’ampleur de « son œuvre » n’est pas clairement circonscrite. En revanche, il est certain qu’un important groupe d’artisans participa à cette réalisation car ils sont mentionnés dans la comptabilité du chantier. On peut distinguer ce groupe grâce à la grande variété des modèles. Chronologiquement, la peinture appartient à l’époque charnière entre la fin du Moyen Âge et la première Renaissance et contient des éléments de l’ancien et du nouveau style de décoration. La voûte n’a pas subi en 500 ans d’importantes restaurations. Après une simple intervention en 1910, il faut attendre les années 2014 à 2017 pour une première grande campagne de conservation-restauration qui permit de faire des observations concernant la réalisation picturale, la technologie et les peintres eux-mêmes. Une restauration de cette envergure nécessite une équipe. À Berne, le soutien du projet fut assuré par la fondation de la cathédrale (Berner Münster-Stiftung) avec la commission de construction et les architectes de la cathédrale Hermann Häberli et Annette Loeffel. Cela a permis les vastes recherches scientifiques, qui ont bien largement dépassé le cadre habituel. En parallèle à la restauration du chœur débuta un projet du fond national de l’Université de Berne, sous la direction des professeurs Dr. Bernd Nicolai et Dr. Jürg Schweizer, consacré aux 100 premières années de l’existence de la cathédrale de Berne. Les nouvelles connaissances de la mise en peinture des voûtains ont été publiées en 2019. Fondation Berner Münster-Stiftung, la voûte du chœur interactive avec les clés de voûte en vues normales et en 3D : http://www.bernermuensterstiftung.ch/chorgewoelbeinteraktiv/chorgewoelbeinteraktiv.php, Conservatrice-restauratrice dirigeant le projet : Cornelia Marinowitz : https://www.netzwerk-bauundforschung.com/Cornelia-Marinowitz
Vorbemerkung
Neben den bemerkenswerten Maureskenmalereien, die hier vorgestellt werden sollen, wird das Chorgewölbe von 86 grossen, figürlichen Heiligenbüsten aus Sandstein dominiert. Sie stellen den so genannten Himmlischen Hof dar. Ein Bildprogramm mit hoher Symbolkraft sowohl in der Ikonografie als auch der sehr aufwendigen und ebenfalls noch fast vollständig erhaltenen Farbgestaltung. Bildprogramm und Erhaltungszustand der Schlussstein-Büsten sind europaweit einzigartig[1]. Im Beitrag geht es jedoch nicht um die Büsten und ihre Fassung, sondern um die dazugehörende Kappendekoration, die Mauresken (Abb. 1).
Das Chorgewölbe des Berner Münsters, als Netzgewölbe ausgeführt, wurde 1517 vollendet. Belegt wird das Datum durch eine in den Quellen erhaltene Schlussrechnung[2]. Aus dieser Rechnung geht hervor, dass der Berner Maler Niklaus Manuel Deutsch (um 1484-1530), der als Vorauszahlung die stattliche Summe von 100 Rheinischen Gulden und zum Abschluss nochmals 190 Pfund erhielt, wohl für die Arbeiten der farbigen Gestaltung verantwortlich war. Gleichzeitig wird auch ein Trinkpfennig an die Knechte aufgeführt, die die Arbeit in seinem Sinne ausführten. An der Chorbogeninnenseite befindet sich eine Bauinschrift, die im 18. Jahrhundert überstrichen wurde und bei der ersten Restaurierung 1910 wieder zu Tage trat. Sie besagt: « ALS MAN ZELT VON DER GEBVRT CHRISTI VNSERS HEREN 1517 WARD DISS GEWELB DVRCH MEISTER PETER PFISTER VSBAWEN DES WIRDIGEN MINSTERS ENDE ». In der Inschrift wird auf den Baumeister Peter Pfister und die Fertigstellung des Chores verwiesen, was aber natürlich nicht das Ende des « wirdigen Minsters » war. Der Bau des gesamten Mittelschiffes war zu der Zeit noch im Gang. Zusätzlich gibt es eine weitere Jahreszahl « 1517 » in der letzten Kappe des Chorschlusses. Das Chorgewölbe wurde an zwei prominenten Stellen von Niklaus Manuel Deutsch signiert, was auf seine wichtige Rolle bei der Gestaltung hinweist. Dennoch bleiben viele Fragen offen. Wir wissen nicht, wie der Auftrag des Niklaus Manuel genau lautete, wie sein Einfluss auf die Gestaltung war und ob ihn neben seinen Knechten noch weitere Maler bei der Arbeit unterstützten. Es erstaunt zudem, dass nur vier Jahre vor der Berner Reformation, und Niklaus Manuel war ein grosser Verfechter derselben, ein solch prachtvolles katholisches Programm unter seiner künstlerischen Leitung zur Ausführung kommt und den grossen Bildersturm von 1528 im Münster auch noch übersteht.
Nach der Reformation verlor der Chor, der durch einen Lettner vom Hauptschiff getrennt war, seine liturgische Bedeutung; er versank praktisch in eine Art Dornröschenschlaf. Im 18. Jahrhundert wurden die Freiflächen über dem bestehenden Lettner und die Seitenarkaden zum Chor noch vollständig durch Masswerkfenster geschlossen, so dass vom Hauptschiff und von den Seitenschiffen aus kein Einblick mehr auf das Gewölbe möglich war. Erst nach dem Abbruch des Lettners 1864 werden der Raum und das Gewölbe wieder sichtbar.
Im Winter 1909/1910 begann nach 400 Jahren die erste grosse Sanierungsmaßnahme im Chor. Diese bezog sich jedoch hauptsächlich auf die Gewölbekonstruktionen, bei denen man statische Probleme vermutete und diese beheben wollte. Rippen wurden miteinander verklammert und ein wandverbindender Betonanker im Dachraum über die Kappen gelegt.
Die Restaurierung an den Dekorationsmalereien und der Fassung der Schlusssteine fielen im Gegensatz zu den statischen Massnahmen fast marginal aus.
400 Jahre war nichts geschehen, und wir können von grossem Glück sprechen, dass auch 1909/1910 so gut wie nichts an der Ausmalung und den Schlusssteinen vorgenommen wurde. Man begegnete dem Kunstwerk bereits damals mit sehr viel Respekt. In einem Baujournal des Münsters heisst es dazu: « Die Bemalung mit reichlicher Verwendung von Gold ist in Öl- und Kalkfarben angelegt, den Rippen des Netzgewölbes mit Caput mortuum der nötige neutrale Ton gegeben. Die reichbehandelten Schlusssteine und die dunklen Rippen heben sich feingestimmt von den einfachen, geweissten Kappen mit ihren schwarzen Ornamenten ab. Keineswegs dürfen mit dem Künstlerlexikon die Verzierungen in Bausch und Bogen als « kaligraphisch umstilisiert » bezeichnet werden, denn es sind, wie gesagt Gebilde von Künstlerhand darunter und namentlich ist die ganze feingestimmte Anlage so recht im Gegensatz zu den oft nüchternen, ja schwächlichen Arbeiten späterer Zeiten ».[3] Man hatte den hohen Wert der Gewölbegestaltung erkannt, auch wenn man mit der Beschreibung von Öl und Kalkmalerei damals falsch lag. Mit den neuesten Untersuchungen, sowohl zu den Schlussstein-Büsten als auch zur Mauresken-Malerei, konnten die verwendeten Materialien nun genauer definiert werden.
Die Mauresken-Malerei im Chorgewölbe
Das Netzgewölbe setzt sich aus kleinen Rauten und Rhomben zusammen und aus langgezogen Zwickeln, die auf die Kapitelle der Wandpeiler auslaufen. Die Kappenflächen sind mit einem Kalkputz bedeckt und mehrfach weiss gekalkt. Dieser Aufbau scheint auf den ersten Blick simpel zu sein. Beim Reinigen der Kappenflächen zeigte es sich dann jedoch, dass dem nicht so ist.
Auf den Kappenflächen traten helle Flecken oder besser – Pinselstriche zu Tage, die zum Teil kreuz und quer verstrichen waren. Sie waren zu Beginn der Arbeiten wegen der starken Verschmutzung kaum zu sehen. Diese Ausbesserungen waren unterschiedlich gross und auch nicht auf allen Kappen gleichermaßen vorhanden. Sie deckten bunte Farbspritzer oder andere Verschmutzungen ab. Es stellte sich die Frage, warum erscheinen diese Ausbesserungen im Gegensatz zur restlichen, leicht vergrauten Kappenfläche nach der Reinigung so strahlend weiss? Die Erklärung fand sich bei der Analyse der Malschichtoberfläche.
Im Querschnitt zeigte sich deutlich, dass auf der Kalkoberfläche eine dünne, leicht transparente Schicht aufgebracht worden war. Sie diente als Absperrschicht, um das Abwandern des Bindemittels aus der Malfarbe zu verhindern, was auch wirklich gut gelungen war. Der Nachteil war jedoch, dass die Malfarbe auf dem nun weniger saugfähigen Grund zum Teil stark verlief. Auf allen Kappen konnten an den Ornamenten zum Teil kräftige Laufspuren und Tropfenbildungen beobachtet werden (Abb. 3).
An den Stellen, an denen die hellen Ausbesserungen zu sehen waren, gab es dagegen keine Laufspuren der Farbe. Hier fehlt die absperrende Schicht, die die Oberfläche weniger saugfähig machte.
Das Fehlen zeigte sich auch im unterschiedlichen Erhaltungszustand der Malfarbe. Auf abgesperrtem Grund gab es eine innige Verbindung von schwarzer Rankenfarbe und weissem Untergrund. Beide bildeten zusammen eine feste und gleichmässige Einheit. Im Gegensatz dazu neigte das Schwarz auf den weissen, ausgebesserten Stellen zum Kreiden oder Wischen. Das Bindemittel war hier zu einem grossen Teil in den stark saugenden Untergrund abgewandert. Die Festigkeit war gegenüber den Rankenmalereien auf abgesperrtem Grund damit deutlich herabgesetzt.
Durch die Anfärbung mit Ponceau S, einem roten Azofarbstoff, konnte die Absperrschicht im Querschliff sichtbar gemacht werden. Die behandelten Flächen färben sich rot (Abb. 2).
Ponceau S bindet sich an die Aminosäuren der Proteine und wird für histochemische Anfärbeverfahren verwendet, welche in der Medizin zur fotografischen Darstellung proteinhaltiger Präparate dient. Die mikrochemische Untersuchung des Bindemittels der Malfarbe und der Absperrschicht hat ergeben, dass es sich um einen tierischen Leim handelt. Das Pigment der schwarzen Malfarbe besteht aus Kienruss mit einem sehr geringen Anteil an rotem Ocker. Kienruss ist seit der Antike ein weit verbreitetes Pigment, das sich durch seine kleinen und weichen Teilchen gut zur Herstellung einer fast tintenartigen Malfarbe für einen zügigen und kreativen Malvorgang eignete.
Die Mauresken wurden, wie wir heute auch durch die Untersuchungen der weissen Ausbesserungen sagen können, erst ganz am Schluss gemalt. Sie waren sozusagen die kreative und sehr belebende Vollendung der gesamten Deckengestaltung.
Betrachtet man die Ornamente eine Weile in Ruhe, fällt eine gewisse Uneinheitlichkeit der Verteilung ins Auge. Etwas zwei Drittel der kleinen Rauten gegen Osten sind mit nur einem Ornament bemalt, in den restlichen Kappen gegen Westen finden sich bis zu vier, zum Teil sehr einfache Ornamente. Eine Kappe in der Nähe des Sprengrings wurde gar nicht dekoriert, vielleicht wurde hier die Bemalung einfach vergessen. Stilistisch steht die Malerei am Wendepunkt der Spätgotik zur Frührenaissance. Das Prinzip der Maureske, bei der Blätter und Rankenmotive in meist rhythmischen Rapporten ganze Flächen füllen, ist aufgehoben und wird hier frei gestaltet. Auch die strenge manschettenartige Anordnung der Ornamente um Schlusssteine oder Rippenkreuzungspunkte, wie sie in der Gotik beliebt war, ist bereits in Auflösung begriffen, die Ornamente werden frei verteilt. Sie scheint auf manchen Kappen fast willkürlich zu sein. Etwas antiquiert wirkt dagegen der Kugelfries, der perlenartig die Rippen begleitet und als Dekorationselement noch eindeutig der Gotik zugeordnet werden kann. In den Glasmalereien der Nordfenster aus der 1. Hälfte des 15. Jahrhunderts findet sich dieser Fries ebenfalls wieder.
Für die Bemalung variieren die Motive in einer unerschöpflichen Vielfalt (Abb. 4 und 5). Es gibt keine gleichen Motive, und es wurden keine Hinweise auf Vorzeichnungen, Lochpausen oder Schablonen gefunden. Es handelt sich also um eine reine Freihandmalerei. Was sich allerdings fand, war eine gut erhaltene Skizze für die Platzierung eines Ornaments in der Ecke eines Zwickels. Die Skizze war erhalten geblieben, weil das Ornament in dieser Kappe genau in die gegenüberliegende Ecke gemalt wurde.
Um eine derart detailreiche und kreative Freihandmalerei ausführen zu können, war die Verwendung der sehr dünnflüssigen Farbe notwendig. Erst sie ermöglicht eine solch lockere und schnelle Malweise. Die Ornamente sind in der Regel scheinbar symmetrisch; dabei entwickeln sich aus einer Achse rechts und links Ranken und Formen von einem Fußpunkt her. In einer Art Strauß kulminieren sie dann in einem mit Blüten, Körbchen oder Schnörkeln bekrönten Abschluss. Die Ausführung ist jedoch nicht gespiegelt, die Motive rechts und links der Achse unterscheiden sich. Daneben gibt es asymmetrische Ornamente, die meist aus einer geschwungenen Achse entstehen. Sehr wenige Ornamente sind tatsächlich symmetrisch oder gespiegelt, aber auch hier wird die Freihandarbeit deutlich, da die gespiegelten Motive nicht vollkommen gleich dargestellt werden.
Es lassen sich ausserdem deutlich mehrere Handschriften ausmachen. Sie umfassen das ganze Spektrum von einer sehr reichen und filigranen Malerei bis hin zu einfachsten grafischen Ornamenten. Es waren also mehrere Maler am Werk, was auch für die Fassung der Schlussstein-Büsten belegt werden konnte. Gelegentlich liessen sich in den Details der Blüten oder Blätter kleine Übereinstimmungen zu einer Handschrift nachweisen, die noch von Bedeutung sein werden.
Ungewöhnlich für das Gewölbe sind die auffällig großen, an zwei prominenten Stellen platzierten und unterschiedlich gestalteten Signaturen des Malers Niklaus Manuel Deutsch.
Er signierte mit seinen in Ligatur geschriebenen Initialen N M D, einem Schweizer Dolch und einem geschwungenen Gürtel. Eine solche Signatur findet sich auf allen seinen Kunstwerken, wobei der Gürtel nicht immer erscheint (Abb. 3).
Außergewöhnlich ist dagegen die Signatur auf einer Kappe im Chorschluss. Hier gibt es die Initialen als Abschluss über dem Ornament und rechts und links davon jeweils einen Dolch mit Gürtel, die hier wie ein Teil des Ornamentes wirken. Bekrönt wird das Ganze mit einem sogenannten Stradiotenhut. Es ist das einzige bekannte Monogramm Manuels, auf dem dieser Hut dargestellt wird (Abb. 6).
Stradioten, Stradiotti oder frz. Estradoits waren griechisch-albanische Reiter, die im Dienst der Republik Venedig standen. Sie galten als gefürchtete Kämpfer. Niklaus Manuel hat sie auch auf einer Graphik festgehalten.
Manuels Teilnahme an Feldzügen ist gut belegt. Warum er jedoch gerade für diese Söldner eine Vorliebe hatte und ihnen mit der Darstellung ihres Hutes über seinem Signet ein besonderes Vermächtnis im Münster setzte, ist unbekannt.
Es finden sich innerhalb der Ornamente und des Kugelfrieses einige, wenn auch kleine Details, die man mit Recht als sehr private Zutaten oder Vermächtnisse der Maler ansehen kann. Im Kugelfries gibt es insgesamt drei «explodierende» Kugeln, und an einer anderen Stelle setzte ein Maler ein rechteckiges Ornament in der Form einer Schablone auf die Blütenspitze. Sehr prominent befindet sich an einer Ornamentspitze ein gemaltes Symbol, ganz ähnlich einem «Steinmetzzeichen». Es könnte sich dabei aber auch um das Zeichen eines Malers oder Kupferstechers handeln.
Auf der von Niklaus Manuel signierten Kappe mit Stradiotenhut gibt es ein Pentimento[4]. Unter einer eilig aufgestrichen Kalkfarbe ist ein großes, mit kräftigen Pinselstrichen aufgemaltes Zeichen zu erahnen, das fast den gesamten unteren Zwickel einnimmt. Durch das Anfeuchten der Kalkschicht liess sich das Zeichen sichtbar machen und fotografieren. Nach der Fotobearbeitung war es deutlich erkennbar. Die dicken schwarzen Striche erinnern im ersten Moment an ein Gesicht, sie könnten aber genauso gut Teil eines Monogrammes, eines beliebten Alltagssymbols oder Ähnlichem sein (Abb. 7).
Dieses Zeichen, welches genau an der Kappe angebracht wurde, die von Niklaus Manuel in besonderer Weise signiert war, lässt viel Spielraum für Hypothesen. Vielleicht ist es ein ganz spezielles Zeugnis dafür, dass ein anderer Maler ebenfalls sein Zeichen hinterlassen wollte; und dass er das genau an dieser Stelle tut, könnte vermuten lassen, dass er an den Arbeiten vielleicht einen grossen Anteil hatte, sich vielleicht auch nicht gewürdigt fühlte, – wir werden es nie erfahren.
Die Maureskenmalereien im Vergleich
1517 wird der Chor des Berner Münsters fertig gestellt. Wie ging es danach weiter?
Offensichtlich machte sich ein Maler, der am Chor mitgearbeitet hatte, auf den Weg, um seine Kunst weiterzutragen.
Sein Weg führte ihn wohl zuerst nach Zofingen. Dort war an der aus dem 14. Jahrhundert stammenden Pfarrkirche der infolge eines Brandschadens baufällige Chor 1518 abgebrochen worden. Der neu erbaute Chor wurde 1520, nur drei Jahre nach dem Berner Chor, geweiht.
Vergleicht man die bei einer Restaurierung 1979 wieder endeckten, schwarzen Zwickelmalereien mit denen von Bern, so fällt eine verblüffende Ähnlichkeit auf. Vor allem das immer wiederkehrende kleine Detail einer Blüte lässt sich sowohl in Bern als auch in Zofingen nachweisen (Abb. 8).
Nur wenig später, kurz nach 1520, wurde auch der Chor der reformierten Kirche im aargauischen Uerkheim neu ausgemalt. Auch diese Malereien sind mit denen von Bern in einzigartiger Weise vergleichbar. Sie wurden 1994 bei einer Restaurierung wiederentdeckt und freigelegt. Zofingen und Uerkheim waren im 16. Jahrhundert bernisch. Beide Orte liegen nur acht Kilometer auseinander und nur etwa 60 Kilometer entfernt von Bern.
Es ist daher mehr als wahrscheinlich, dass sich einer der Berner Maler gleich im Anschluss an die Ausmalung des Münster Chors auf den Weg machte, seine Kunst weiter zu tragen und die beiden Chorgewölbe auszumalen. Um wen es sich dabei handelte, vielleicht um Niklaus Manuel selbst, ist unbekannt. Die Quellen beider Kirchen wurden daraufhin noch nicht ausgewertet, und so besteht die Chance, in den nächsten Jahren noch mehr über den Maler von Bern zu erfahren, der nach Zofingen und Uerkheim ging.
Bei aller stilistischen Übereinstimmung der Ausmalungen von Bern, Zofingen und Uerkheim gibt es jedoch auch Unterschiede. Am augenfälligsten ist, dass in beiden nachfolgend ausgemalten Kirchen nur eine Handschrift ausgemacht werden kann.
Die Ornamente sind in der Qualität und Art der Gestaltung gleich, es fehlen in beiden Kirchen die grossen stilistischen und qualitativen Unterschiede wie sie in Bern zu finden sind. Zudem werden in Bern die Ornamente um die Rippenkreuzungspunkte mit den Schlussstein-Büsten eher etwas willkürlich platziert. In Zofingen und Uerkheim findet sich dagegen noch die eher in der Spätgotik beliebte Dekorationsform der Manschette. Auf den etwas antiquierten Kugelfries, wie er in Bern zu finden ist, wurde dagegen in beiden Kirche bereits verzichtet.
Restaurierungsgeschichte
Aussergewöhnlich am Chorgewölbe von Bern ist seine Restaurierungsgeschichte. Das Gewölbe blieb praktisch 400 Jahre unangetastet, sieht man von den wenigen Maßnahmen ab, die sich im 18. und 19. Jahrhundert im Zusammenhang mit der Schließung der Arkaden, der Aufstockung des Lettners und dessen kompletten Abbruch von 1864 vor allem auf die Wandbereiche beziehen. Erst 400 Jahre nach der Fertigstellung wird von 1909 bis 1910 das erste Mal ein Gerüst bis in das Gewölbe hinauf aufgestellt. Die Maßnahmen, die zu dem Zeitpunkt geplant waren, betrafen jedoch nicht in erster Linie die Kappenausmalung oder die Fassung der Schlussstein-Büsten sondern vor allem die Gewölbestatik. Die Restaurierung der Steine und der Ausmalung war eine eher nachgeordnete Maßnahme. Über sie wurde im Jahresbericht von 1910[5] ausführlich berichtet. Der Höhepunkt der Arbeit war die Wiederentdeckung der Bauinschrift an der Chorbogenwand und deren Restaurierung oder besser Rekonstruktion. Die übrigen Maßnahmen beschränken sich auf eine relativ grobe Reinigung, auf das Schließen einiger weniger Risse mit einem sehr guten Kalkmörtel und auf die Neufassung der Rippen in einem kräftigen Caput mortuum. Die Mauresken wurden an wenigen Stellen retuschiert. Diese Retuschen sind unter UV-Licht gut sichtbar, so dass ihr Umfang gut bestimmt werden konnte. Bei der Verifizierung von Original und Retusche erwiesen sich auch die 1910 vom Landesmuseum in Zürich angefertigten Dokumentationsaufnahmen als überaus wertvoll. Sie zeigen den Bestand der Schlussstein-Büsten und den zweier Kappen vor der Retusche.
Bei der erneuten Restaurierung von 2014-2017 konnten alle die speziellen technologischen Prozesse der Entstehung des Gewölbes und seiner Malereien durch ein Team von Restauratoren eingehend untersucht, dokumentiert und durch wenige Maßnahmen bewahrt werden. Gleichzeit blieb die unabwendbare Alterung aller Materialien als Zeitzeugnis in ihrer einzigartigen Art erhalten.[6]
[1] Cornelia MARINOWITZ mit einem Beitrag von Christine Bläuer, « Die farbige Gestaltung des Chorgewölbes und seine Restaurierung », in: B. NICOLAI, J. SCHWEIZER (Hrsg.), Das Berner Münster. Das erste Jahrhundert: Von der Grundsteinlegung bis zur Chorvollendung und Reformation (1421-1517/1528), Regensburg, Schnell & Steiner, 2019, S. 495-545.
[2] DSMR 1517 II: Seckelmeisterrechnungen, Halbjährliche Standesrechnungen 1375-1649, Staatsarchiv Bern, Sign. StAB B VII 453b.
[3] Baujournal 1910, Nr. 55.
[4] Pentimento: eine Ergänzung oder Änderung durch den Maler selbst.
[5] Der Münsterausbau in Bern, XXIII. Jahresbericht der Hauptversammlung des Münsterbauvereins vom 7. Oktober 1910 (unveröffentlicht, Archiv Berner Münster Stiftung).
[6] Im Restauratoren-Team arbeiteten neben der Verfasserin (Fachbauleitung) die Restauratorinnen Reginé Saucy und Rowena Pasche, beide angestellt bei der Berner Bauhütte, geleitet von Hüttenmeister Peter Völkle. Unterstützung fanden die Arbeiten durch weitere Mitarbeiter der Bauhütte. Finanziell getragen wurde das gesamte Projekt durch die Berner Münsterstiftung, vertreten durch das Baukollegium. Die Gesamtleitung oblag den Münsterarchitekten Hermann Häberli und Annette Loeffel.